Kolumne Sprachgewitter: Warten als Tätigkeit

“Ich bin kein geduldiger Mensch. Ich kann Dinge nicht abwarten, denn wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, muss es auf der Stelle geschehen. Das kann schon einmal dazu führen, dass ich nachts beginne, die Wohnung neu zu arrangieren oder für meinen Geburtstag Einladungen zwei Monate im Voraus aussende. Die meisten Vorhaben, die ich plane, haben einen konkreten Ablaufplan. Sie sind zeitlich begrenzt, vor allem aber sind sie absehbar. Selbst, wenn etwas nicht sofort verfügbar ist, kann ich in Erfahrung bringen, wann es soweit ist. Ich kann Tage zählen, kreuze in den Kalender setzen und wie ein Kind ausmalen, wie oft ich noch schlafen muss, bis ein ersehntes Ereignis passiert. Geduld ist eine Tugend, über die ich nicht verfüge.

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Die Covid-19 Pandemie hingegen stellt eine ganz neue Herausforderung an meine Geduld, und die vieler Menschen dar. Plötzlich werden Maßnahmen veranlasst, die kein ersichtliches Ablaufdatum haben. Es ist von „Durchhalten“ und „Weitermachen“ die Rede. Mit einem Schlag befinden wir uns in einer Warteposition mit unklarem Ausgang. Auf Social Media ist gut zu beobachten, wie unterschiedlich damit umgegangen wird. Manche strecken die Zeit mit einer Vielzahl an Erledigungen und steigern ihre Produktivität mit Sport, Brot backen oder räumen ihr Kellerabteil endlich auf. Andere verfallen in eine Schockstarre und der Leistungspegel sinkt. Nicht für jeden und jede ist ein passendes Angebot in den eigenen vier Wänden zu finden. “


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OFFENHEIT erscheint im Oktober 2020 bei Kremayer und Scheriau

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Über Selbsthass und Body Neutralität